Maracana -Stadion

Das neue Maracana 2013. Filipe Frazao / Shutterstock.com

Vor 64 Jahren war Brasilien zum ersten Mal Gastgeber der Fußballwelt. Doch was als Krönungsmesse inszeniert war, endete in dem Finalspiel gegen Uruguay in einem sportlichen wie menschlichen Drama, das in Brasilien bis heute unvergessen ist.

Ganz anders als heute anno 2014 löste die Vergabe der WM 1950 an Brasilien im Land Euphorie und einen gigantomanischen Bauboom aus. Die Welt sollte Zeuge des technischen Fortschritts im Lande werden.  In Rio de Janeiro erbaute man eine Fußballarena, die heute noch bombastisch wirkt: das Maracanã. Fast 200.000 Zuschauer fanden hier Platz, das Dach hatte eine Spannweite von 20m, es gab Flutlicht und Fahrstühle. 10.000 Arbeiter hatten diesen  Sporttempel in Rekordzeit hochgezogen, erdacht zur Krönungsmesse der heimischen Ballkünstler.

Alles war für den ersten Titelgewinn Brasiliens hergerichtet. Heimvorteil und eine Mannschaft ohne Schwachpunkte. Die Sambakicker spielten ihre Gegner aus Schweden (7:1) und Spanien (6:1) in Grund und Boden. Spiele, die Jahre später noch zu „unübertroffenen Glanzdemonstrationen“ erklärt wurden. Im letzten Spiel gegen Uruguay reichte schon ein Unentschieden zum Titelgewinn. Doch dann geschah das Unfassbare.

Drama und Todesfälle

Die 200.000 Zuschauer waren schon in Feierlaune, als Brasilien in Führung ging. Doch dann passierte das Undenkbare: Die Urus glichen aus und gingen sogar zehn Minuten vor Schluss in Führung. Abpfiff: Uruguay war Weltmeister und auf den Rängen lagen sich die Zuschauer weinend in den Armen. Schreckliche Dramen spielten sich ab: mindestens vier Menschen starben – drei an Herzversagen, einer stürzte sich von der Tribüne in den Tod.  Aus Schreck überreichte Jules Rimes den Uruguayern die Trophäe unbeobachtet im Kabinengang. Erst vier Jahre später spielte eine brasilianische Mannschaft wieder im Maracana-Stadion. Torwart Barbosa wurde sein Fehler beim 1:2 lebenslang nicht verziehen. „Ein Mörder kriegt 20 Jahre“, sagte er lange später, „ich habe lebenslänglich.“ Noch 1993 wollten die Offiziellen ihn nicht ins brasilianische Trainingslager lassen. Er bringe nur Unglück, lautet die Begründung.

Die Arroganz der Engländer

Nicht ganz so dramatisch, dafür umso peinlicher war der Auftritt der englischen Nationalmannschaft. Zum ersten Mal hatte sich England herabgelassen, das Turnier mit seiner Anwesenheit zu beglücken. Bisher hatte sich das Mutterland des Fußballes für den natürlichen Nabel der Fußballwelt gehalten und das Turnier einfach ignoriert.  Die englischen Starprofis hatten nicht mal einen richtigen Trainer. Für die meisten Spieler war so was überflüssiger Firlefanz – Dribbelkönig Stanley Matthews meinte ernsthaft, ein Nationalspieler müsse schon selber wissen, wie er spiele.

Und so spielten sie dann auch. In der Vorrunde verloren die Engländer gegen den Fußballzwerg USA mit 0:1. Die erste große Sensation der WM-Geschichte. Dabei waren auch die Yankees alles andere als vorbereitet. Kein einziges gemeinsames Training gab es vorher und am Vorabend des Spieles tanzten die Spieler noch bis tief in die Nacht. Einige britischen Zeitungen hielten die Nachrichten aus dem fernen Brasilien dann auch für einen technischen Fehler. Sie dachten, die Eins vor der Null sei vergessen worden, und meldeten einen 10:1-Sieg. Doch die traurige Wahrheit war: Bereits nach drei Partien schieden die Engländer sang- und klanglos aus. Die Engländer – Journalisten, Funktionäre und Spieler – verließen Hals über Kopf das Land. Die Spiele Brasiliens sah fast keiner von ihnen.

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Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.

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