Primär auf Zerstörung des Spieles aus und mit allen Theaterwassern gewaschen: Das Bild vom hässlichen Italiener hält sich hartnäckig. Es hat seine Wurzeln in der Heimat-WM 1934. Unter den strengen Augen des Faschistenführers Mussolini siegte damals Italien – mit allen Mitteln.
Die zweite WM hatte gleich wieder ein Novum: Zum einzigen und wohl auch letzten Mal verzichtete ein amtierender Champion auf die Titelverteidigung. Die Auswahl Uruguays wollte nicht nach Europa kommen. Allerdings meldeten sich insgesamt 32 Länder für das Turnier an, so dass erstmals Qualifikationsspiele ausgetragen wurden. Unter den 16 Endrundenteilnehmern stand auch zum ersten Mal die deutsche Mannschaft. Argentinien und Brasilien waren die einzigen Teams aus Südamerika.
Fouls und Schiriskandale
Haushoher Favorit waren die italienischen Gastgeber. Das hatte weniger etwas mit Sport zu tun. Wichtiger waren die politischen Rahmenbedingungen, unter denen das Turnier stattfand. Benito Mussolini war glühender Fußballfan und setzte alles, wirklich alles daran, mit dem Fußball die Überlegenheit des Faschismus gegenüber der Demokratie zu demonstrieren. Er verfolgte persönlich fast jedes Spiel. Millionen Lira wurden in den Bau neuer Stadien in Turin, Florenz und Neapel investiert. Und einige Münzen sollen auch in die Taschen der Schiedsrichter geflossen sein. Kuriose Schiedsrichterentscheidungen pflasterten den Weg Italiens zum ersten Titelgewinn. Dazu kamen brutale Foulspiele – Chefcoach Pozzo hatte ein starkes Abwehrbollwerk geformt, das in der Not alles wegholzte, was sich in den Weg stellte. Ein besonderes Skandalspiel war das Viertelfinale zwischen Italien und Spanien. Schiedsrichter Mercet aus der Schweiz benachteiligte die Spanier nach Strich und Faden. Ein reguläres Tor der Spanier wurde aberkannt, ein Kopfballtor, bei dem sich Torschütze Meazza mit beiden Händen beim spanischen Tormann abstürzte, dagegen anerkannt. Zu diesem Zeitpunkt des Spiels waren sieben (!) Spanier verletzt. Mercet wurde nach dem Turnier lebenslang von seinem Verband gesperrt.
Lebenswichtiger Sieg
Zahlreiche Fouls später war das Ziel erreicht: Die Italiener rangen im Finale die Tschechoslowakei mit 2: 1 nieder und wurden erstmals Weltmeister. Die Begleitumstände waren aber auch dem italienischen Coach irgendwie unangenehm. Pozzo kündigte nach dem Endspiel an, 1938 beweisen zu wollen, wer der wahre Weltmeister sei. Immerhin konnten die Spieler wieder ruhig schlafen. Italienische Spieler bekannten einige Jahr später, panische Angst gehabt zu haben, bei einer Niederlage einen Kopf kürzer gemacht zu werden. Mussolini hatte vor dem Endspiel ein knappes Telegramm an die Spieler geschickt. Darauf standen nur drei Worte: „Siegen oder sterben“.
Trikotverwirrung
Unter solchem Druck standen damals die deutschen Mannen von Reichstrainer Doktor Otto Nerz noch nicht. Frisch und fröhlich spielten sie sich bis ins Halbfinale. Im Spiel um Platz 3 besiegte Deutschland überraschend auch die Wunderkicker aus Österreich. Kurios auch die Begleitumstände dieses Spiels. Beide Teams begannen das Spiel im gleichen Dress – weiße Hemden, schwarze Hosen. Auf der Tribüne herrschte leichte bis schwere Verwirrung. Die Zuschauer jubelten den Deutschen zu, im Glauben, sie seien die Österreicher. Nach einer halben Stunde (!) fiel den Zuschauern der Irrtum auf und es kam zu Tumulten. Der Schiedsrichter unterbrach das Spiel und ließ auslosen, wer die Trikots wechseln musste. Die Deutschen trabten in die Kabine und setzten das Spiel wenig später in Rot fort.
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7. Juni 2014 at 20:02
“Siegen oder sterben” > sehr spannender Artikel!!
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