Was 2006 als schönes Versprechen begann, 2010 im pubertären Übermut daneben ging, wurde 2014 endlich vollendet: Die goldene Generation um Neuer, Lahm und Müller gewann gegen Argentinien den vierten WM-Stern für Deutschland. Als erste europäische Mannschaft in Südamerika überhaupt. In Brasilien, das selbst einen historischen Albtraum erlebte.
Für Brasilien stand die Heim-WM von Anfang an unter keinem guten Stern. In dem fußballverrückten Land wollte im Vorfeld einfach keine richtige Vorfreude aufkommen. Zu groß die sozialen Probleme in diesem aufstrebenden Schwellenland, zu tief die Wut in der armen Bevölkerung über die astromischen Kosten für Stadien und Turnierorganisation. Schwer bewaffnete Polizeitrupps sorgten dafür, dass das FIFA-Fußballestablishment und die Balltouristen aus dem ganzen Land weitgehend friedliche Spiele erlebten. Dass die Samba-Euphorie im Land nie so richtig aufkam, lag aber auch an den dürftigen Darbietungen der Heimmannschaft. Mit Ach und Krach, Glück, vielen Fouls und wenig Spiel, also gänzlich „unbrasilianisch“ quälte sich Brasilien über die Vorrunde ins Halbfinale, wo sie gegen Deutschland nicht weniger als die „kollektive Katastrophe“ erlebte. Mit Leichtigkeit und Grazie spazierten die Deutschen durch die Reihen der gelähmt wirkenden Brasilianer. Fünf Tore schossen sie in der ersten halben Stunde. Am Ende stand ein unfassbares 7:1. der „geilste Sieg aller Zeiten“ (Bild). Ein Beben in der Fußball-Hierarchie. Eine Demütigung Brasiliens vor der Fußballwelt. Gefühlt ist seit dieser denkwürdigen Fußballnacht von Belo Horizonte nichts mehr so, wie es war. „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Fußballgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen„, frei nach Goethe.
Der vierte Stern
Brasilien hatte das Halbfinale aber nicht nur verloren, weil es so schlecht war. Sondern die deutsche Mannschaft spielte auch spektakulär gut und war auch unbestritten die beste Mannschaft des Turniers. Dabei spielten sie auch diesmal wieder den Mythos der deutschen Turniermannschaft aus. Denn die goldene Generation um Lahm, Schweinsteiger, Kroos und Müller kombiniertes ihr außerordentliches Talent mit den klischeedeutschen Sekundärtugenden wie Disziplin, Fleiß und Körperlichkeit. Nivea-Siegfried Jogi Löw aus dem Badnerland blieb auch bei seiner Linie, als nach dem glanzvollen 4:0-Einstieg gegen Portugal gegen Ghana und dann vor allem gegen Algerien Sand ins Getriebe kam und die Nation über die Rückkehr des „Rumpelfußballs“ grummelte. Er hatte alles richtig gemacht. Auch Argentinien war am Ende keine Hürde mehr. Goetze schoss die Deutschen in der Verlaengerung ins Glueck. Lahm reckte den Pokal in die Luft. Der neue Kaiser – klein, aber oho.
Beißer Suarez
Was bleibt außerdem von dieser WM im Gedächtnis? Dass in den Gruppenspielen ungewöhnlich viele Tore fielen, um dann in den Ausscheidungsspielen wieder oft in den WM-typischen 1:0-Modus zu verfallen. Dass nur wenige Mannschaften spielerische Glanzlichter setzten, die Spiele vor allem durch Spannung und die durch die Social Media aufgeblasenen Nebenschauplätze an Brisanz gewannen? Leider am längsten mit Brasilien 2014 in Verbindung gebracht werden wollen die brutalen Fouls. Es gab nicht mehr Fouls, dafür waren diese umso brutaler und – ja auch bizarrer. Die Beißattacke von Suarez gegen seinen italienischen Gegenspieler bleibt ebenso unvergessen wie die brutale Attacke hinterrücks gegen Brasiliens Superstar Neymar
Schreibe einen Kommentar