Französische Flagge

„Allons enfants de la Patrie, Le jour de gloire est arrivé!“/wikimedia

Frankreich war 1998 nach 60 Jahren wieder Gastgeber der WM. Und wie es sich für das Selbstverständnis des ostfränkischen Teils des Alten Europas gehört, war alles an der WM groß. Zumal die Schlusspointe passte.  Frankreich wurde Weltmeister.

Superlative, wohin man schaute: 32 Teilnehmer waren 1998 bei der WM dabei – so viele wie nie zuvor; nie gab es mehr Spiele, nie mehr Platzverweise und nie saßen auf der Welt mehr Zuschauer vor dem Fernseher- in Bangladesch brach wegen Überlastung sogar teilweise das Stromnetz zusammen, es kam fast zu einem Aufstand. Fußball war vielerorts zu einer Art Massenhypnose geworden.

„Zizou“ wird zum Helden des modernen  Frankreich

Auch an Geld sparten die Franzosen nicht. In Paris wurde das teuerste Stadion der Welt gebaut, mit frei schwebendem Dach und ausfahrbaren Tribünen. Und es lohnte sich: Am 12. Juli 1998 gewann erstmals in der WM-Geschichte die französische Nationalelf den WM-Pokal. In ihren Reihen Zinédine „Zizou“ Zidane, der Junge aus der Vorstadt, Sohn algerischer Einwanderer und Star der WM. Der technisch brillante Mittelfeldstratege mit dem Sinn für das Unmögliche hatte mit seinen zwei Toren im Finale den Titelverteidiger Brasilien fast alleine den K.O. versetzt.

Kinder spielen mit Zidane-Trikot

Legende der französischen Fußballjugend: Zinedine Zidane/ebertek, ccc

Alle Franzosen gleich welcher Herkunft feierten überschwänglich ihre Multikulti-Truppe. Ist das ethnische Durcheinander vieler Nationalmannschaften heutzutage kaum mehr Aufreger, empfanden viele 1998  – nicht nur in Frankreich –  die bunte Mischung  als Zeichen für den Sieg der Toleranz gegenüber dem Ressentiment.
Auch die Elite flippte völlig aus: Intellektuelle riefen einen „neuen Republikanismus“ aus und für Staatspräsident Chirac hatte Frankreich „seine Seele wieder gefunden“. Wenigstens für ein paar Tage waren das katholisch-konservative und das links-laizistische Frankreich durch den Fußball vereint.

Deutschland noch nicht Schland

Mit dem französischen Champagnerfußball hatten die Deutschen wieder einmal wenig zu tun. Neben den Gastgebern sorgten insbesonders die Brasilianer mit Stürmerstar Ronaldo und die Holländer für die spielerischen Höhepunkte. Die Mannschaft von Berti Vogts machte zunächst vor allem mehr durch ihr Alter von sich reden. Mit einem Durchschnittsalter von 29, 7 Jahren (Matthäus wurde mit 37 Jahren kurzfristig reaktiviert) kämpfte sie sich mühselig in die Ausscheidungsspiele. Gegen Kroatien gab es dann im Viertelfinale eine 0:3-Abfuhr. Die unglückliche Niederlage verkraftete vor allem Berti Vogts nicht; er versuchte sich in wirren Verschwörungstheorien. „Vielleicht ist der deutsche Fußball zu erfolgreich. Ich weiß nicht, ob es eine Anordnung gibt“, raunte er dünkelhaft in die Mikrofone.

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Deutsche Hooligans verbreiteten Angst und Schrecken

Dabei hätte der deutschen Delegation ein wenig Demut wirklich gut getan. Deutsche Hooligans hatten vor dem Vorrundenspiel gegen Jugoslawien in der Kleinstadt Lens Angst und Schrecken verbreitet und einen irreparablen Imageschaden verursacht. Bei den Ausschreitungen war der französische Polizist Daniel Nivel mit einer Eisenstange ins Koma geprügelt worden. Das Opfer überlebte, wird aber bis ans Ende seines Lebens an den Rollstuhl gefesselt sein.

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Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.

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