Jeder zweite Mensch auf der Welt soll in seinem Leben mindestens einen Bondfilm gesehen haben. Vor über 50 Jahren wurde der fiktive britische Geheimagent zu dem popkulturellen Phänomen, das Bond bis heute noch ist. James Bond 007 – das ist ein halbes Jahrhundert Filmgeschichte und auch westliche Zeitgeschichte.
Am Anfang standen eine Million Dollar. So viel kostete die Verfilmung des Bond-Romans „Dr. No“ von Ian Fleming 1962. Die Hauptrolle als weltgewandter britischer Geheimagent verkörperte ein gewisser Sean Connery, Schotte und ehemaliger Mister Universum. Viele angefragten Stars hatten abgewunken – an einen prestigeträchtigen Erfolg einer Bond-Verfilmung glaubte keiner. Auch die Schauspieler des Films verabschiedeten sich nach dem Ende der Dreharbeiten nicht unbedingt in der Erwartung, sich von nun an regelmäßig wiederzusehen. Was sicherlich als einer der größten Irrtümer der Filmgeschichte betrachtet werden kann. Eine unendliche Geschichte begann.
„All men wanted to be and all women just wanted“
„Dr. No“, der am 5. Oktober 1962 in London Weltpremiere feierte, war der Beginn einer Serie, die die Filmwelt bis daher nicht gesehen hatte. Bond schuf ein ganz eigenes neues Filmgenre: irgendwas zwischen Thriller-, Action- und Science-Fiction-Film, auf jeden Fall immer groß angelegtes Unterhaltungskino. Es war die Geburt einer popkulturellen Ikone. Der Name ist zu einer globalen Marke geworden, mit der Millionenumsätze generiert werden: Bond, James Bond. 007, Lizenz zum Töten, berühmtester Martini-Trinker und Aston Martin-Testfahrer der Welt. Die Figur hat sich von der literarischen Vorlage längst gelöst und ist zu einer Projektionsfläche für einen modernen Helden geworden. James Bond ist eine Kunstfigur „all men wanted to be and all women just wanted“ (Steven Spielberg). Bond schafft es bis heute wie keine andere popkulturelle Ikone, mit einem festen Muster über Generationen hinweg eine weltweite Fangemeinde zu binden. Und dabei gleichzeitig die Figuren behutsam dem Zeitgeist anzupassen, ohne den eigenen Markenkern wirklich in Frage zu stellen. Bond war und ist immer Spiegelung des kulturellen Geistes der westlichen Welt. Von Anfang an. Bis heute.
James Bond als Macho-Held einer harten Zeit
Der erste Bond kam zu einer Zeit in die Kinos, als die Welt kurz vor dem atomaren Inferno stand. Die Kuba-Krise brachte den Kalten Krieg auf den Siedepunkt. Harte Männer waren gefragt. Die Zeit schien wie geschaffen für Ian Flemings literarische Männerfantasie eines Killers im britischen Staatsdienst, ausgestattet mit Sinn für die angenehmen Dinge des Lebens, mit einem ausgeprägten Hang zu Alkohol und Frauen. Bond jagte Verbrecher, die häufig nicht weniger als die gesamte freie Welt bedrohten. Flemings zwischen 1953 und 1964 geschriebenen Romane und Kurzgeschichten wurden Anfang der 1960er-Jahre besonders populär. US-Präsident Kennedy hatte „From Russia with love“ öffentlich zu seiner Lieblingslektüre erklären lassen. Der US-amerikanische Filmproduzent Harry Saltzman erwarb 1961 sämtliche Filmrechte und gründete zusammen mit seinem Partner Albert R. Broccoli die Eon Productions, jene Filmproduktionsgesellschaft, die bis zum heutigen Tage die Bondfilme produziert. Eon steht für „Everything or nothing“, wie Tochter Barbara Broccoli in der Dokumentation zum 50. Geburtstag offiziell bestätigte. Bis heute gleichen diese Filmrechte einer Lizenz zum Gelddrucken. Was immer noch wesentlich „Urbond“ Sean Connery und dem Regisseur Terence Young zu verdanken ist, der in den ersten beiden Filmen den typischen Bond-Mix aus Sex, Sophistication, Action, Exotik und Humor kreierte. Connerys männliche Härte und gleichzeitiger Charme definierten eine neue Art von Coolness. Connery schuf den Bond, der zunächst fast Eins zu Eins mit seiner Person gleichgesetzt wurde.
James Bond in „Goldfinger“
War Bond in seinen ersten beiden Filmen ein mehr oder wenig großer internationaler Überraschungserfolg, löste der dritte Bondfilm 1964 eine weltweite „Bondmania“ aus, eine unglaubliche Euphorie um den coolen Geheimagenten Bond, weltweit – von Feuerland bis Japan: „Goldfinger“ ist bis heute DER klassischste James-Bond-Klassiker schlechthin und derjenige, der in Machart und Style eine Blaupause für die weiteren Filme war: ein überlebensgroßer diabolischer Bösewicht im Verbund mit gefährlichen Helfershelfern, von Bond zur Strecke gebracht in abenteuerlichen Verfolgungsjagden, mit Hilfe technischer Spielereien und nachdem Bond die Herzen einiger Frauen erobert hatte. Das alles inszeniert in den surrealistischen Bauten des genialen Setdesigners Ken Adam und getrieben von den grandiosen Kompositionen eines John Barrys. Die schon immer prinzipiell “larger than life“ angelegten Filme wurden mit der Zeit gigantomanisch, James Bond mutierte zu einem Superman, der mit ausgefeilter Technik die Welt vor immer neuen Schurken rettete. Das wurde Connery 1967 zu viel. Er verlor die Lust am Bond-Dasein und verließ die Serie. Mit dem Ausscheiden von Connery stand die Bond-Reihe vor ihrem ersten Bruch, zumal sich mit dem Aufkommen der 1968-Bewegung die gesellschaftliche Grundströmung änderte. Dem machohaften Weltretter drohte auch der kulturelle Resonanzboden wegzufallen.
Bond wird zur Familienunterhaltung
Bis Mitte der 1970er-Jahre war es nicht sicher, ob die Serie unabhängig von Connery überleben und sich der neuen Zeit anpassen konnte. Nach einem einmaligen Gastspiel des australischen Models George Lazenby 1969 und einer sehr kostspieligen, ebenfalls einmaligen Rückkehr Connerys 1971, übernahm 1973 mit Roger Moore ein englischer Schauspieler den Topact. Moore brachte verstärkt Selbstironie und Humor in die Bond-Filme ein und konnte damit ein neues Publikum für 007 gewinnen. Insbesondere der 1977 gedrehte Blockbuster „Der Spion, der mich liebte“ gilt als Musterbeispiel für den neuen leichten Ton der Filme. Diese lebten zwar mehr denn je von unglaublichen Stunts und exotischen Drehorten, ähnelten inhaltlich aber verstärkt Comics und wandelten sich vom Agententhriller zum komödiantischen Abenteuerfilm, kurz: zum Märchenfilm für Erwachsene. In Zeiten von Entspannungspolitik und friedlicher Koexistenz zwischen Ost und West überlebten die Bondfilme mit Roger Moore nicht zuletzt auch als Parodie ihrer selbst. Auch die Rollen der Bond-Girls, der weiblichen Hauptrolle, passten sich dem emanzipatorischen Zeitgeist der Frauenbewegung an. Wurden sie in der Anfangszeit mehrheitlich als bikinitragende Schönheiten inszeniert, die dem Helden klar unterlegen waren, agierten sie nun mit Bond auf Augenhöhe. Wenn sie auch schließlich Bonds Charme verfielen. Als Roger Moore 1985 altersbedingt aufhörte, versuchten die Produzenten mit der Verpflichtung Timothy Daltons 1987 wieder einen ernsteren Ansatz zu verfolgen. Ein Vorhaben, das aber 1989 zunächst durch langwierige juristische Probleme und vor allem durch den epochalen politischen Wandel gestoppt wurde.
Der Bond des 21. Jahrhunderts
Wie konnte ein Bondfilm nach dem Zusammenbruch des Kommunismus aussehen? Welche Aufgabe konnte der Held der freien Welt in der neuen Weltunordnung spielen, dieser „sexistische, frauenfeindliche Dinosaurier“, wie die Bond-Macher mit den Worten der neuen Geheimdienstchefin M die allgemeinen Zweifel in dem Film „Goldeneye“ selbstironisch aufgriffen? Mit dem irischen Beau Pierce Brosnan wurde 1995 ein langjähriger Favorit als neuer Bond gekürt. Er brachte den klassischen Bond in Anlehnung an Connery und Moore wieder ins Gedächtnis der neuen Kinogeneration. Bis 2002 drehte er insgesamt vier erfolgreiche Filme, konnte dabei aber kein eigenes Profil entwickeln. Trotz aller spektakulären Stunts, Explosionen und allem Bombast boten die postmodernen Brosnan-Bonds nur noch wenig Überraschungen und drohten als „Hommage an die Hommage“ an den eigenen Traditionen zu ersticken und in die kulturelle Belanglosigkeit zu fallen. Bond befand sich in der Sackgasse.
Der „Klo-Bond“ Daniel Craig
Trotz der Erfolge erkannten die Macher die kreative Krise. Als sie nach Jahren die Rechte zu dem ersten Bond-Roman „Casino Royale“ zugesprochen bekamen, entschieden sie sich 2005 sehr mutig für einen radikalen inhaltlichen Neustart der Serie. Bis dahin unantastbare Drehbuch-Rituale wie der ewige Flirt Bonds mit Miss Moneypenny und die Spielzeuge aus der Q-Waffenschmiede wurden fallen gelassen und mit Daniel Craig ein ausgewiesener Charakterschauspieler als Bond engagiert, der die Figur zum ersten Mal wirklich menschlich darstellte und ihr einen gewissen Tiefgang verlieh. In „Casino Royale“ von 2006 wurde erzählt, wie Bond zu dem Überbond mutierte, als den wir ihn kennen. Der Film zeigte Bond als Mensch mit Gefühlen, als Killer mit Fehler, blieb aber gleichzeitig mit atemberaubenden Stunts und „larger than life“-Szenarien immer als Bondfilm erkennbar. „Casino Royale“ wurde von Kritikern wie Publikum bejubelt und machte die Figur wieder interessant. „Skyfall“, der Jubiläumsbond aus dem Jahr 2012, war der kommerziell erfolgreichste Bondfilm der Serie. Er spielte weltweit mehr als eine Milliarde Dollar ein. Bond ist populärer als jemals zuvor. Mehr denn je hat der Schlusssatz im Abspann jedes Bonds-Films Gültigkeit: „James Bond will return“. Wie auch immer.
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