Herder ist neben Goethe und Schiller der zentrale Kopf der Weimarer Klassik. Der vielseitige Schriftsteller und aufgeklärte Humanist beeinflusste mit seinen Arbeiten insbesondere die Sprach- und Literaturwissenschaft sowie die Völkerkunde.EinKurzporträt
Die schicksalhafte Begegnung fand im September 1770 statt. Herder, der Hofprediger und Lehrer aus dem ostpreußischem Mohringen, war seit einem Jahr auf Wanderschaft in Europa und hielt sich gerade auf Kur in Straßburg auf, um sich am Auge operieren zu lassen, als er einen 21-jährigen Jurastudenten kennenlernte, der sein Leben nachhaltig verändern sollte und später der deutsche Dichterfürst schlechthin werden sollte: Johann Wolfgang Goethe. Der damals noch weitgehend unbekannte Goethe war fasziniert von dem gebildeten, strengen, manchmal auch sarkastischen Mann mit dem „gepuderte(n) Haar“ und seinem „schwarzen, seidenen Mantel“. „Die ganze Zeit dieser Kur besuchte ich Herder morgens und abends; ich blieb wohl auch ganze Tage bei ihm und gewöhnte mich in kurzem um so mehr an sein Schelten und Tadeln, als ich seine schönen und großen Eigenschaften, seine ausgebreiteten Kenntnisse, seine tiefen Einsichten täglich mehr schätzen lernte. Seine Einwirkung auf mich war groß und bedeutend.“
Weimarer Lehrjahre
Herders aufkläererische Gedanken u.a. zur Bedeutung der Volksprache, seine Forderungen nach schöpferischen Individualität sowie Kenntnisse über Shakespeare und Ostian beeindruckten Goethe, der 1774 durch seine „Leiden des jungen Werthers“ zu Weltruhm kam und ab 1776 in herausgehobener Position am Hofstaat in Weimar politisch und literarisch arbeitete. Das klassische Humanitätsideal geht vor allem auf Herder zurück. Auch aus Dankbarkeit gegenüber seinem Mentor vermittelte Goethe Herder im selben Jahr eine Stelle als Generalsuperintendent in Weimar, dem Zentrum der damaligen deutschen Kulturelite. Dort sollte von nun an bis zu seinem Tod sein Lebensmittelpunkt sein. Herder stieg zu einer gesellschaftlich wie literarisch hoch geachteten Persönlichkeit in Weimar auf. Er wurde schließlich auch zum ersten Pastor an der Stadtkirche St. Peter und Paul (heute auch „Herderkirche“ genannt), zum Markthofprediger und Oberkommerzial- und Kirchrat berufen. Er stand so auch dem ganzen Schul- und Erziehungswesen im Herzogtum Weimar vor. Aufgaben, die ihn ziemlich einspannten, aber nicht dauerhaft von seinen philosophisch-literarischen Arbeiten abhielt.
Mit oder gegen, aber nie ohne Goethe
Mit Goethe verband ihn eine schwierige, aber immer wieder sehr enge berufliche wie private Beziehung, die von Seiten Herders sicher nicht frei von Neidgefühlen gegenüber seinem genialen Freund und Kollegen war. Der einstige Lehrer Herder orientierte sich durchaus auch an seinen ehemaligen Schüler Goethe, dem an der Verbindung sehr viel lag. In regelmäßigem gegenseitigem Austausch entwickelte Herder sein berühmtes geschichtsphilosophisches Werk „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“, das alle seine Gedanken konzentriert zusammenführt und die Menschheitsgeschichte als die vernunftgeleitete Fortsetzung der Naturgeschichte interpretiert. Jedes Volk entwickele danach durch Sprache und geographische Gegebenheiten eine ganz einzigartige Kultur, eine ganz besondere harmonische Einheit von Natur und Mensch aus. So entstehe auf der Erde eine Vielzahl von ganz eigenen, aber gleichwertigen Kulturen. Herder war der Erfinder des Begriffs der (deutschen) „Kulturnation“.
Das Verhältnis zwischen Goethe und Herder verschlechterte sich ab 1790 zusehends, als Goethes legendäre Zusammenarbeit mit Schiller sich intensivierte. Bereits die Reisen nach Italien von beiden kurz nacheinander hatten die Unterschiede zwischen beiden immer mehr aufscheinen lassen. Goethe war 1788 begeistert von dem Klassizismus und der Sinnlichkeit des Landes nach Weimar zurückgekehrt und begann sich als Künstler neu zu erfinden. Herder kam von seiner Italienreise dagegen ernüchtert zurück, er konnte mit dem südlichen Hang zu Theatralik wenig empfangen; als „nördliches Individuum“ blieb er in protestantischer Pastorentradition dem Wort verpflichtet. Auch in der politischen Beurteilung der Französischen Revolution divergierten vor allem anfangs die Meinungen von Herder und Goethe. In den letzten Lebensjahren entfremdete sich Herder, auch zermürbt von zahllosen Krankheiten, zunehmend von der Weimarer Hofgesellschaft und pflegte nur noch wenige Freundschaften, insbesondere zu Jean Paul.
Leben und Werk:
1744: 25. August: Johann Gottfried Herder wird als Sohn des Kantors und Schullehrers Gottfried Herder und dessen zweiter Ehefrau Anna Elisabeth, geb. Peltz im ostpreußischen Mohrungen geboren.
1762: Herder beginnt in Königbserg das Studium der mEdizin, dann Theologie und Philosophie.
1764 Herder tritt eine Stelle als Lehrer und Prediger an der Domschule in Riga an.
1770 Herder lernt in Straßburg Goethe kennen.
1772: Herder Abhandlung über den Ursprung der Sprache erscheint und wird von der Berliner Akademie preisgekrönt.
1773: Herders Schrift Von deutscher Art und Kunst wird herausgegeben, die insbesondere die Bewegung des Sturm und Drang maßgeblich beeinflusst.
1773: 2.Mai: Herder heiratet die Elsäserin Maria Karoline Flachsland in Darmstadt. Aus der Ehe gehen insgesamt sieben Kidner hervor.
1774: Herders Werk Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit wird veröffentlicht.
1776: Auf Vermittlung Goethes übernimmt Herder eine Stelle als Generalsuperintendent in Weimar.
1778/1789: Herders sehr populäre „Volkslieder“-Sammlungen werden veröffentlicht.
1784: Herder entwickelt in den Ideen zur Philosophie zur Geschichte der Menschheit seine Geschichtsphilosophie.
1801: Herder wird zum Oberkonsistorialpräsident befördert.
1803: 18.Dezember: Herder stirbt in Weimar.
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