Das Bild des schönen Gefühlsfußballs/ Petrafler, shutterstock.com

Das Symbol des schönen Gefühlsfußballs / Petrafler, shutterstock.com

Die WM 1958 in Schweden war bereits ein weltweites Medienevent. Die Deutschen spürten die Lasten der Vergangenheit. Es war die WM der Brasilianer und vor allem eines Spielers, der wie kein anderer die Sambafußball-Ästhetik repräsentierte: Péle. 

52 Länder hatten um die WM-Qualifikation gekämpft – 16 blieben übrig. Überraschend durchgefallen waren die zweifachen Titelträger Italien und Uruguay. Es wurde die WM der Brasilianer – von Anfang bis zum Ende.  Bis ins kleinste Detail bereiteten sie sich auf die Operation „Titelgewinn“ vor und brachten dafür eigens eine halbe Klinik nach Schweden. Die medizinische Abteilung hatte nämlich vorher alle Spieler auf Herz und Nieren untersucht und war dabei zu erschreckenden Resultaten gekommen: die meisten Spieler litten unter Würmern, einer sogar an Syphilis. Auch um die Geistesverfassung war es nicht gut bestellt: Über Rechtsaußen Garrincha hieß es wenig schmeichelhaft, er sei selbst zu doof, einen Bus zu fahren. Auch ein 17-jähriger Edson Arantes do Nascimento kam nicht gut weg. Er sei kindisch und zu brav. Dem Trainer wurde empfohlen, ihn zu Hause zu lassen.

Pelé Superstar

Was Vicente Feola zum Glück unterließ. Denn in Schweden ging der Stern dieses kleinen Wunderspielers auf, der sich der Einfachheit halber Péle nannte. Wie kein anderer symbolisiert er bis heute die brasilianischen Schule, die das Spiel als Fest und nicht als Kampf interpretiert. Er fast allein schoss die Selecao zum lang ersehnten Titel und wurde zum ersten brasilianischen Weltstar des Fußballs. Im Halbfinale traf er beim 5:2-Sieg gegen Frankreich gleich dreimal. Mit das schönste Tor der WM-Geschichte gelang ihm im Finale beim 5:2-Triumph gegen Gastgeber Schweden. Mit dem Rücken zum Tor pflückte er im gegnerischen Strafraum den Ball herunter, zirkelte ihn mit der Fußspitze über den Kopf, drehte sich kurz und verwandelte zum 3:1. Als die Brasilianer nach dem Spiel die Ehrenrunde liefen, feierten auch die enttäuschten schwedischen Zuschauer die Mannschaft mit stehenden Ovationen.

Deutscher „Kriegsfußball“

So nett war das einheimische Publikum nicht immer. Das Halbfinale in Göteborg gegen Deutschland geriet zu einem emotionalen „Hassspiel“. Die deutsche Vergangenheit feierte traurige Auferstehung – die Presse fantasierte im Vorfeld der Partie sogar vom deutschen „Kriegsfußball“. Stunden vor dem Spiel heizten „Einpeitscher“ über Megafon das Publikum an. Im Hexenkessel verlor Verteidiger Juskowiak die Nerven und flog nach einem Revanchefoul vom Platz. Herbergers Mannen verloren den Faden und nach einer frühen Führung das Spiel mit 1:3. Die Reaktionen in Deutschland reichten von hysterisch bis rassistisch: Schwedischen Autos wurden die Reifen zerschnitten, schwedisches Essen von der Speisekarte gestrichen und einige ältere Journalisten schwadronierten wieder von „völkischen Durchschnittsleistungen“ der Schweden.

Deutscher Umbruch
Die deutsche Mannschaft enttäuschte in Schweden aber keineswegs. Argentinien, die Tschechoslowakei und Jugoslawien wurden besiegt. Die Mannschaft stand vor einem Umbruch. Nur wenige Helden von 1954 waren noch dabei. Nach der WM erklärte Fritz Walter seinen Rücktritt, die Hoffnungen lagen von nun an auf einem jungen Hamburger, der in Schweden bereits sein erstes Tor geschossen hatte: Uwe Seeler.

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