Moderne Großstadtpassagen, belebte Einkaufsstraßen: Ein Sommervideo aus den 1980er-Jahren zeigt, wie scheinbar aufgeräumt und mondän es damals in Ost-Berlin zuging. Der schöne Schein der DDR, von dem sich auch viele im Westen lange täuschen ließen.
Ein strahlender Sommertag in Ost-Berlin. Die Hauptstadt der DDR zeigt sich von ihrer Schokoladenseite.
Es gab zwar nur wenig Grünfläche in den touristischen Zentren und Vierteln rund um den Boulevard Unter den Linden, um das historische Viertel jenseits der Nikolaikirche und rund um den betonsozialisierten Alexanderplatz mit seinem „sozialistischen Bauwunder“, dem Fernsehturm. Dafür ist eine entspannte Geschäftigkeit und eine großzügige Weitläufigkeit zu spüren, die man wohl am wenigsten mit der realsozialistischen „kommoden (Spießer)diktatur“ (Günter Grass) in Verbindung bringt. Etwa die Trabi-Kolonnen vor dem prunkvollen Friedrichsstadtpalast, vorbei am legendären Admiralspalast dort, wo 1946 inmitten von Trümmern die Zwangsvereinigung zwischen der SPD und KPD zur SED vollzogen wurde; oder eben auch der fast menschenleere Gendarmenmarkt, wodurch die majestätische Größe dieses wohl schönsten Bauensembles im historischen Berlin erst so richtig wirken kann.
Nicht zu vergessen der größte Anziehungspunkt für Gäste aus der Fremde: die Wachablösung vor der „Neuen Wache“, dem historischen Schinkel-Bau aus dem frühen 19. Jahrhundert, der nach 1918 zu einer Gedächtnisstätte für die Gefallenen des 1. Weltkriegs umgebaut und in der DDR zum „Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus“ erklärt wurde. Ausgerechnet vor diesem vermeintlichen Symbol des Antimilitarismus wurde der preußische Stechschritt in Perfektion exerziert – vor einem entzückten Publikum. Nicht die einzigen Widersprüche, an denen die „Stadt des Friedens“ schließlich zerbrechen musste.
Denn, wie wir alle wissen, war der schöne Schein hohl. Abseits der Touristenpfade, in Prenzelberg, in Friedrichshain oder Lichtenberg, sah es schon völlig anders aus, von den abgelegenen Dörfern und Kleinstädten in den preußischen Provinzen ganz zu schweigen. Die Bausubstanz verfiel, der Lebensstandard verharrte auf niedrigem Niveau. Es dauerte nur noch wenige Jahre, bis sich auch Ost-Berlin als potemkinsches Dorf erwies, und ein Staat binnen Wochenfrist sang- und klanglos in sich zusammenbrach.
3. August 2018 at 9:08
Nun, dann sollte man sich diese Plätze in Berlin mal heute ansehen, vorallem den Alexanderplatz! Wer Berlin aus den 1980er Jahren kennt, weint!
14. Dezember 2018 at 20:37
1987?
30. Januar 2022 at 18:47
Wie lange Herr Marx leben sie bereits in Berlin, wenn ich fragen darf ? Ich habe dort 30 Jahre gelebt. Und bin seit 8 Jahren leider in Westdeutschland in Bremen. Ich habe sowohl im Westen der Stadt gelebt (Anfangs Grunewald) und bin regelmäßig in den Ostteil Berlins vor dem Mauerfall gefahren. Habe danach anschließend im Ostteil gewohnt. Vorwiegend im Prenzlauer Berg und Mitte. Bin Architekt – und Städtebauer und Hörfunk Journalist. War in der Politik im Ostteil der Stadt tätig. Hatte viele Freunde, die geboren wurden , als der Teil im Osten noch Hauptstadt der DDR“ genannt wurde. Mein langjähriger Partner war auch aus dem Osten – Ich bin im Südwesten der BRD geboren. Und muss gestehen, dass es die schönsten Jahre waren in der Rückblende in meinem Leben. Und gerade Mitte städtebaulich in seiner Geschichte im Wandel der Zeit architektonisch, städtebaulich, geschichtlich, und und von seiner sozialen Struktur ein spannender Ort war. Und dessen Wandel es weiterhin ist. Vielleicht muss man Gefühl für Orte und Menschen sowie Geschichte entwickeln, um wirklich sich ein Urteil zu bilden. Mir scheint, dass Ihre Perspektive eine leichte Schieflage erkennen lässt. Wie lange leben Sie in Berlin bzw. kennen Sie Berlin wirklich? Verstehen Sie Menschen, die im Ostteil der Stadt geboren sind ? Oder welches ihre Geschichte ist, mit der sie aufgewachsen sind ?