Heute gilt der große Komiker, Filmpionier, Dramaturg und Sprachartist als Heiligtum, nicht nur in seiner Heimatstadt München. Zu Lebzeiten hatte der lustige Misanthrop vor allem mit Misserfolgen zu kämpfen. Und er machte oft seiner Umwelt das Leben zur Hölle, er, der „ komplizierte, blutige Witz“ (Brecht). Eine Kurzbiografie.

„Möge es uns vergönnt sein, das neue Jahr und noch viele andere Jahre mitzumachen in der wahren Liebe zueinander wie bisher. Gesundheit und unser köstlicher Humor soll uns nie verlassen und bleibe fernerhin mein gutes Lieserl“. Ungewöhnlich zärtliche Worte zum Jahreswechsel 1912 von Karl Valentin an Elisabeth Wellano, die er kurz zuvor in München auf der Bühne für sich entdeckt hatte und die wohl unter seinem Einfluss den Künstlernahmen Liesl Karlstadt annahm. Sie wurde seine berufliche wie private Muse.

Das Traumpaar Valentin-Karstadt

Valentin hatte Kinder und war ab 1911 bürgerlich verheiratet, aber Karlstadt blieb praktisch lebenslang seine Geliebte. „Ich kann ohne Liesl nicht mehr sein“, gestand Valentin einmal seiner Ehefrau. Sie war auch beruflich fast unverzichtbar. Gerade die kongeniale Zusammenarbeit mit dem komödiantischen Naturtalent Karlstadt in insgesamt fast 400 Sketchen und Kömodien hat wesentlich zum landesweiten Erfolg des typischen sprachanarchistischen Humors Valentins beigetragen. Sie, ebenfalls Münchnerin, war oft auch Ideengeberin und Co-Autorin.

Ob anfangs „das Alpensängerterzett“, dann das Theaterstück „Die Raubritter von München“ oder später Kurzfilme wie „Die Orchesterprobe“ – immer wieder versuchte Karlstadt da, wo Valentin durch Sprachverdrehungen oder übertriebenes Wörtlichnehmen Chaos und Nonsens produzierte, die vermeintlich richtige Ordnung wiederherzustellen. Damit entstanden meist erst recht skurril-komische Situationen, die im Chaos oder in einer Katastrophe endeten.

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Erfolg in Berlin

Ein glückliches Ende gab es in der Regel nicht. Mit seiner hintersinnig-philosophischen Komik stieg Valentin von einem in München mäßig erfolgreichen Musical-Clown zu einem umjubelten Volkssänger gerade auch in Berlin auf, zu einer Kultfigur der Feuilleutonisten im ganzen deutschsprachigen Raum. Insbesondere der linke Poet Bertolt Brecht, ebenfalls gebürtiger Bayer, fühlte sich dem melancholischen, auch bitteren Humor Valentins nahe. „Dieser Mensch ist ein durchaus komplizierter, blutiger Witz. Er ist von einer ganz trockenen, innerlichen Komik, bei der man rauchen und trinken kann und unaufhörlich von einem innerlichen Gelächter geschüttelt wird“.

Und tatsächlich war Valentin im Privaten durchaus ein schwieriger, komplizierter Mensch, der seiner Umwelt das Leben zur Hölle machen konnte. Und das lag nicht nur an seinem (lebenslangem) schillernden Liebesleben.

Exzentriker und Phantast

Die Überlieferung ist reich an Anekdoten über die Schrulligkeiten des berühmten Münchner Clowns. Er litt zeitlebens an tiefen Ängsten und Komplexen: Autofahren war ihm wie große Menschenmassen stets ein Gräuel. Immerzu glaubte er, krank zu sein oder krank werden zu können, weswegen er anderen bei der Begrüßung nicht gerne die Hand gab. Gegenüber seinen Mitmenschen war er stets misstrauisch und fühlte er sich schlecht behandelt, konnte er sehr aufbrausend werden.

Auch auf dem Höhepunkt seines Ansehen blieb Valentin immer auf Distanz auch zu wohlmeinendsten Kritikern und Intellektuellen. Deren reine Begriffswelt blieb dem formal wenig gebildeten Kleinbürger sowieso immer fremd. So missmutig und ängstlich Valentin gegenüber Menschen sein konnte, so selbstbewusst und enthusiastisch verfolgte er jenseits der Bühne seine eigenen künstlerischen Großprojekte. Aber immer wieder scheiterte die Umsetzung seiner Idee wie z.B. der Betrieb eines Panoptikums am fehlendem Geld oder auch Durchhaltevermögen.

Im Nationalsozialismus wurde es stiller um Valentin. Unmittelbar nach dem Krieg fand er für seine Auftritte kein Publikum mehr; sein skurriler Humor passte nicht mehr in die Zeit, was ihn sehr verletzte. So sehr sich München heute mit seinem berühmtesten Sohn schmückt, so sehr schien er bei seinem Tod vergessen. Auf seiner Beerdigung sprach kein Offizieller der Stadt.

Literaturtipp:
Josef Memminger, Karl Valentin, Verlag Friedrich Pustet: Regensburg 2011.

Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.

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