Als vor 14 Jahren die Flugzeuge in die Twin Towers flogen, trat ein neuer Akteur mit Gewalt in die Weltöffentlichkeit: der böse Islamist. Die Welt, wie wir sie sahen, war binnen Stundenfrist eine andere geworden. Ein tiefer Einschnitt – publizistisch, kulturell und natürlich politisch.
„Der 11. September 2001, gestern, ist ein Tag gewesen, der unsere Kultur verändert hat – die Art, wie wir die Welt sehen, die uns umgibt, unser Gefühl dafür, was möglich ist und was unmöglich, unser Gespür für die Grenze zwischen Realität und Phantasie“, schrieb Harald Martenstein am Tag danach im „Tagesspiegel“. Und er sollte recht behalten. Die Terrorattacken vom 11. September 2001 lösten weltweit eine Schockwelle aus und beeinflussen bis heute das Bild vom internationalen Terrorismus. Im kollektiven Bewusstsein des Westens waren finsterste Hollywood-Spektakel Wirklichkeit geworden und das Böse hatte ein neues Gesicht bekommen: das von todessüchtigen islamistischen Gotteskriegern.
Der Ablauf
Gegen 9 morgens Ortszeit waren zwei gekidnappte Flugzeuge ins World Trade Center im Herzen von Manhattan gerast. Das Symbol amerikanischer Wirtschaftsmacht brach binnen kurzer Zeit in sich zusammen. Eine halbe Stunde später stürzte ein drittes Flugzeug auf das US-Verteidigungsministerium. Ein viertes Flugzeug, angeblich mit Ziel auf das Weiße Haus, stürzte wenig später bei Pittsburgh ab. Insgesamt verloren etwa 3000 Menschen ihr Leben an diesem Tag.
Stunde Null der Online-Medien
Milliarden von Menschen hatten das Geschehen über Medien teils live verfolgt. Die Bilder von 9/11 sind Ikonen des Schreckens geworden. Es war auch das erste publizistische Großereignis der entstehenden digitalen Weltgesellschaft. Als jeder nach Informationen gierte, waren fast alle Nachrichtensites zumindest zeitweise zusammengebrochen. Informationen und Bilder in Echtzeit zu bekommen – zum ersten Mal war das Innovationspotenzial der neuen Medien zu erkennen. Mutige Medienunternehmen begannen umzudenken, sehr langsam, teilweise drei Schritte vorwärts und zwei zurück, aber die Richtung war klar: We had to go online. Zugespitzt formuliert, markiert 9/11 auch den Durchbruch des Online-Journalismus.
Die politischen Folgen
Viel wichtiger waren die politischen Folgen des Terroraktes. US-Präsident Bush (2000-2008) proklamierte den „Krieg gegen den Terror“ und ließ sich allein von vermeintlich nationalen Sicherheitsinteressen leiten, was nach einer im September 2002 veröffentlichten Strategie als ultima ratio auch militärische Präventivschläge einschloss. Der militärische Sturz des radikalen Taliban-Regimes in Afghanistan war noch von breiter Zustimmung getragen, aber der unter falschen Vorwänden geführte Krieg im Irak 2003 spaltete den Westen und destabilisierte den Nahen Osten nachhaltig. Osama bin Laden ist inzwischen tot, aber der islamistischen Terror-Hydra wachsen immer neue, noch radikalere Köpfe. Nur militärisch scheint der Kampf nicht zu gewinnen. „Auch jetzt müssen wir kühl bleiben und uns an unsere Prinzipien erinnern, gute alte Freunde, die wir an anderen Tagen nur noch ironisch zitieren, an Liberalität, an den Rechtsstaat, an Toleranz. Diese fehlbare, mangelhafte, angreifbare westliche Kultur, deren Hauptstadt New York heißt. Wenn wir diese Prinzipien verraten, haben die Fanatiker gewonnen.“ Auch das hat Harald Martenstein schon am 12. September 2001 gewusst.
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