Im Mittelalter erlebte Wellness einen ersten Boom.  Auch wenn die christliche Orthodoxie das nackte Treiben der Menschen von Anfang an mit Misstrauen beäugte, wurden öffentliche Badestuben immer beliebter. Als Orte, an denen man sich reinigte, aber auch aß, plauderte und sich amüsierte.  

Der Untergang des römischen Reiches und der Siegeszug des Christentums führte im frühen Mittelalter in Europa zu einem Niedergang des Badewesens. Die Körperpflege war als potentielle Sünde verpönt und ein Bad war sittlich zweifelhaft. Augustinus, der theologische Vordenker seiner Zeit, hielt gerade einmal „ein Bad im Jahre mit dem christlichen Glauben“vereinbar.

Kreuzritter Vorreiter europäischer Badekultur

Das änderte sich, als die päpstlichen Kreuzritter auf ihren Kriegszügen die orientalischen Badetraditionen entdeckten und das Wissen in die Heimat brachten.
Sie hatten erkannt, wie heilsam und wohltuend ein warmes Bad für müde Glieder und schweres Gemüt war. In Burgen und Schlössern wurden Badestuben eingerichtet, in denen den abgekämpften Recken nach erfolgreichem Kampf von vorwiegend weiblichen Bediensteten neben Wasser auch Wein, ja sogar Rosen gebracht wurden.
Die Größe und Ausstattung des Bades galt als wichtiges Statussymbol von Reichtum und Glanz. Wohlhabende Edelleute luden Freunde und Gönner in die heimische Wasserstube, um sich gemeinsam zu waschen, entspannen und zu essen.

Öffentliche Badestube: Zentrum mittelalterlicher Geselligkeit

Mit dem Aufstieg des Bürgertums im 12./13. Jahrhundert konnten auch normale Bürger die Vorzüge des nassen Elements genießen – öffentliche Badestuben schossen wie Pilze aus dem Boden. Darin befanden sich zahlreiche hölzerne Wannen und Zuber, daneben Eimer mit heißem Wasser oder wohlriechenden Kräuteressenzen. Erhitzt wurde das Wasser von einem holzbetriebenen Glühofen, der auch für den gewünschten schweißtreibenden Dampf in den Räumen verantwortlich war.

Gasthof, Kontakthof und Kulturzentrum in einem

Aber nicht nur der zentrale Ort zur Körperreinigung war eine solche Badestube, sie war gleichzeitig auch Gasthof, Vergnügungsstätte, Kulturzentrum und Kontakthof in einem.
Zeitgenössische Abbildungen zeigen, wie Männer und Frauen – nur auf dem Kopf bedeckt – gemeinsam im Bad sitzen und von einem Holzbrett aßen und tranken, das über die Wanne gelegt war. Es muss ein vergnügliches Treiben gewesen sein, denn auch Musikkapellen spielten auf und angesichts der erotischen Atmosphäre verwundert es kaum, dass viele Ungebundene hier nach einer Partnerin Ausschau hielten. Auch Liebespaare feierten ihre Hochzeit öfters in den feuchten Räumen.

Die Badestube diente auch als Gesundheitszentrale, als eine Art mittelalterliche Poliklinik – angestellte Badeknechte, die sogenannten“Bader“, rasierten die Männer, wuschen ihre Köpfe und führten bei körperlichen Beschwerden sogar kleine chirurgische Eingriffe durch.

Besonders gern suchten wohl Verschuldete die Hitzeräume auf – denn eine bemerkenswerte Regelung besagte, dass Gläubiger dort keinen Zugriff auf säumige Schuldner hatten.

Klerus weitgehend machtlos

Das gemeinsame Baden von Männern und Frauen und die Tatsache, dass sich Gäste teilweise schon hüllenlos auf den Weg zur Badestube begaben, war der kirchlichen Autorität schon immer ein Dorn im Auge. Doch die Versuche, das vermeintliche wilde Treiben einzudämmen, scheiterten zumeist.
Was die Geistlichkeit nicht schaffte, bewirkten im 14./15. Jahrhundert schließlich Seuchen und Wirtschaftskrisen.

 Seuchen bewirkten den Niedergang der mittelalterlichen Badekultur

Die blühende Badekultur ging abrupt zu Ende, als die Pest die mittelalterlichen Städte in Beschlag nahm. Baden zu mehreren wurde gemieden und gerieten auch wegen des Anstiegs von Geschlechtskrankheiten in Verruf. Fast alle Badestuben mussten geschlossen werden, auch weil der hohe Verbrauch den Preis für Holz in schwindelerregende Höhen getrieben hatte.

Literaturverweise:
Otto Borst, Alltagleben im Mittelalter, Frankfurt 1983.
Vladimir Krizek, Kulturgeschichte des Heilbades, Leipzig 1990.
Gernot von Hahn/Hans-Kaspar von Schönfels, Von der Heilkraft des Wassers
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Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.

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