Binnen Wochenfrist vom anerkannten Staatsmann zum Hochverräter und Verbrecher: Für DDR-Chef Erich Honecker brach im revolutionären deutschen Herbst von 1989 die Welt von heute auf morgen zusammen . Die Partei hatte plötzlich nicht mehr recht. Selten war ein Sturz eines Mächtigen so schnell und tief. Das abrupte Ende einer kommunistischen Musterkarriere aus dem ideologischen 20. Jahrhundert.
„Erich, es geht nicht mehr. Du musst gehen“. Keiner weiß, was wirklich in Erich Honecker vorging an diesem 17. Oktober 1989, als DDR-Ministerpräsident Willi Stoph diese Worte dem bis dahin faktisch alleinigen Herrscher der DDR ins Gesicht sagte. Es muss aber schrecklich gewesen sein. Verraten und verkaufen habe er sich gefühlt, sollte er später sagen, von Gott wohl nicht, aber von seinen Genossen. Ein kommunistischer Alptraum, aus dem Honecker in den nächsten Monaten einfach nicht aufwachen konnte. Tage später der Ausschluss aus der Partei und im März 1990 Anklage wegen Hochverrat und Amtsmissbrauch, ein Verfahren, das später aus gesundheitlichen Gründen fallen gelassen. Die Wiedervereinigung 1990 erlebt Honecker gedemütigt im Schutz der sowjetischen Armee. 1991 floh er nach Moskau ins Asyl, später nach Chile. Der Sturz des Erich Honecker war tief, sehr tief, im Herbst 1989 vom Staatsmann, der zwei Jahre zuvor noch von Bundeskanzler Kohl mit allen Ehren empfangen worden war, zum Verbrecher binnen Monatsfrist.
Kommunist von Kindesbeinen an
Es war das bittere Ende eines kommunistischen Musterlebens im 20. Jahrhundert. Der 1912 im saarländischen Neunkirchen geborene Honecker wuchs von Kindesbeinen an in die kommunistischen Parteiorganisationen hinein: von der kommunistischen Kindergruppe über den Kommunistischen Jugendverband bis hin zum Rotfrontkampfbund. Er überlebte die Nazis in der Haftanstalt Brandenburg, wo er ab 1937 inhaftiert war. Seine blütenreine antifaschistische Vergangenheit und die Unterstützung des ersten DDR-Chefs Ulbricht ermöglichte ihn unter der Ägide der Sowjetunion eine steile Karriere in der DDR. Zunächst 1946 Chef der „Freien Deutschen Jugend“, verantwortete er operativ an höchster Stelle den Bau der Berliner Mauer – eine organisatorische Meisterleistung, die sein innerparteiliches Renommee weiter erhöhte und sein machtpolitisches Selbstvertrauen stärkte. Am 3. Mai 1971 löste Honecker nach einer Intrige Ulbricht als Generalsekretär der SED ab und wurde das neue Machtzentrum in der DDR.
Wirre Rechtfertigungsrede am 10.10.1991 im TV
Vom Hoffnungsträger zum Betonkopf
Am Anfang galt Honecker noch als Modernisierer und auch Hoffnungsträger einer Liberalisierung. Er nutzte den kurzen ökonomischen Aufschwung in den frühen 1970er-Jahren dazu, sich die Gunst der Bevölkerung zu erwerben: Aufwändige Wohnungsbauprogramme wurden in Gang gesetzt, die Konsumindustrie angekurbelt – so gab es plötzlich auch Jeans in den Kaufhallen –, westliche Rockmusik erlaubt und auch die Zensur im kulturellen Bereich gelockert, wobei die Ausweisung des kritischen Liedermachers Wolf Biermanns 1976 auch die engen Grenzen des Erlaubten deutlich markierte. Faktisch blieb er Diktator über Partei und Staat. Politische Gesinnungsgegner wurden weiter verfolgt und drangsaliert, an der Mauer durfte weiter geschossen werden. Er blieb ein orthodoxer Kommunist, der in seinem geschlossenen Weltbild nur Freunde und Feinde kannte und deswegen jede Änderung als Verrat interpretieren musste.
Nach dem Machtantritt Gorbatschows in der Sowjetunion 1985 ging seine Welt langsam unter, ohne dass er es zunächst merkte. Der geistig eher unflexible Honecker konnte mit den neuen Ideen von Offenheit und Umgestaltung nichts anfangen. Hilflos stand er den dynamischen Umbruchsprozessen gegenüber, die 1981 von Polen aus den gesamten Ostblock erfassten und auch Honecker von der Bühne fegten. Von heute auf morgen.
[stextbox id=“info“] Quelle und zum Weiterlesen: Ulrich Völklein, Honecker – Eine Biographie, Aufbau:Berlin 2003 [/stextbox] Email This Post
30. Oktober 2014 at 21:28
Ein schöner Beitrag über Erich Honecker. Ich fand es vor allem interessant, wie Sie es geschafft haben eine ganze Karriere in nur so wenig Worten zu fassen.
Gruß, Stefan